SPIRIT Nr. 30 (Februar/März 2002)

Top-Stories

Faszination Cheerleading

Die Vorweihnachtszeit ist in der deutschen Cheerleading-Welt nicht nur geprägt von Lebkuchen und Plätzchen, sondern besonders von den Landesmeisterschaften im ganzen Land und natürlich der damit verbundenen Qualifikation zu den Deutschen Meisterschaften. Und dieses Jahr werden erstmalig »nur« die Punktbesten nach Marburg beziehungsweise Leverkusen fahren. Mindestens 75 Prozent vom Bestwert aus ganz Deutschland brachte das Ticket zur DM. Die vergangenen Landesmeisterschaften werden sicherlich als eine der spektakulärsten in die Geschichte eingehen. Besonders in den Dance-Kategorien gab es viel Stoff für Diskussionen. Nichtsdestotrotz konnten sich genügend Teams für die DM qualifizieren. Herausragend waren aber einmal mehr die PeeWee- und Jugend-Kategorien. Fantastische bis herausragende Leistungen konnte man bei den Jüngsten sehen. Die Nachwuchsarbeit in Deutschland trägt ihre Früchte. Hier kann man sich jetzt schon auf die DJCM in Marburg freuen. Großartige Leistungen waren auch im Senior-Bereich zu sehen. Gleich am ersten LM-Tag wurde durch die M.C. Cheerleader aus München in Landsberg die Höchstpunktzahl erreicht, die bis zur letzten Meisterschaft in Bremen verteidigt werden konnte. Doch mit einer grandiosen Kür der Magic Hearts konnten sie die Münchnerinnen noch auf der Zielgeraden abfangen und werden nun als Punktbeste nach Leverkusen fahren. Zwar noch mit etwas gemischten Gefühlen, doch durchaus positiv wurden die neuen Kategorien Group- und Partner-Stunt aufgenommen, die erstmalig in Leverkusen zu sehen sein werden. Erfreulich war nicht nur der rege Zuspruch speziell von vielen neuen oder auch umstrukturierten Teams an den Landesmeisterschaften. Immer mehr Teams aus Nicht-Football-Sportarten wie Fußball, Handball oder Basketball stellen sich den »Argusaugen« der Jury. Und das durchaus mit Erfolg! Mehr als erfreulich war auch dieses Jahr wieder das rege Zuschauerinteresse. Spitzenreiter war hier sicherlich die Veranstaltung in Berlin mit 2.500 Zuschauern. Viele Hallen waren restlos ausverkauft und man hatte einige Probleme, dem großen Ansturm gerecht zu werden. Cheerleading in Deutschland ist also sowohl sportlich wie auch in der Zuschauergunst weiter auf dem Vormarsch.

 

Time to say Goodbye

Gemunkelt wurde es schon länger, aber am Rande der Hamburger Landesmeisterschaften wurde es dann Gewissheit: Bei den Hamburg Blue Angels werden in der nächsten Saison vier »Urgesteine« fehlen. Für Stephanie Buck, Britta Knaack, Sandra »Sandy« Schuch und Stephan Guhl war die abgelaufene Saison definitiv auch die letzte im Trikot der Blue Angels. Nach dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft, der Teilnahme an der WM in Tokio und einer erfolgreichen Saison an der Sideline der Hamburg Blue Devils war für die Vier klar, dass es keinen besseren Zeitpunkt geben würde, um dem Nachwuchs eine Chance zu geben, getreu dem Motto: Man sollte aufhören, wenn es am schönsten ist. Und mit der WM-Teilnahme war der absolute Höhepunkt einer bewegten Karriere erreicht worden. Somit wurde dem Team nach der Hamburger Landesmeisterschaft der gemeinschaftliche Rücktritt offenbart, im Fall von Stephan Guhl sogar schon zum zweiten Mal. Eigentlich wollte er bereits im Jahr zuvor aufhören, konnte aber noch zu einer Verlängerung überredet werden. Bis auf Britta haben alle bei den HSV Tigers mit ihrer Cheerleading Karriere begonnen, ehe man zu den Blue Angels kam. Das ist nun schon gut zehn Jahre her. Britta, das »Küken« unter den vieren, begann 1993 bei den Blue Angels, wo sie dann auch auf die anderen drei traf. Viele Höhen und Tiefen haben sie alle mit den Blue Angels durchschritten. Sandy: »Es war eine wunderschöne Zeit, in der ich viele Freunde gefunden habe. Wir hatten Möglichkeiten, die andere in unserem Alter nicht hatten.« Und unter großem Kopfnicken aller fügt Steffi noch hinzu: »Ein Blue Angel zu sein ist eine Lebenseinstellung, man wird immer stolz sein, einer der ersten gewesen zu sein.« »Einmal ein Blue Angel, immer ein Blue Angel«, bringt es Britta auf den Punkt. Neben ihrer Funktion als Base im Team fungierte sie nach eigenen Angaben auch als »Teamkasper«. Selbst in frustrierenden Momenten zauberte sie ein Lächeln auf die Gesichter ihrer Team-Kollegen/innen. Und Tiefen gab es genug. Etliche Verletzungen wie ausgekugelte Schultergelenke, Prellungen, blaue Flecken, gebrochene Nasen, Sehnenrisse, ausgeschlagene Zähne, Meniskusschäden oder gar einen Trommelfellriss hielten die vier aber nicht davon ab, die Zähne zusammenzubeißen und weiterzumachen. Wie rappelt man sich da wieder auf? Stephan hat dafür eine ganz einfache Erklärung: »Cheerleading kann man nicht nur als Sport sehen. Man muss ihn leben, atmen. Nur dann hat man Erfolg und kommt nicht mehr davon los.« Auch Britta hat durch Cheerleading für's Leben gelernt: »Man kann alles schaffen, wenn man nur will. Die Kraft steckt im Kopf und nicht im Körper.« Das negativste Erlebnis in ihrer Cheerleader-Karriere war die Deutsche Meisterschaft 2000. Mit verletzten Cheerleadern auf die Matte zu gehen und ein völliges Chaos-Programm zu präsentieren, das konnte keiner so schnell vergessen. Für Stephan war der Sieg bei der Deutschen Meisterschaft 2001 umso grandioser. Für die Damen der Runde blieb eher der Gewinn der Europameisterschaft 1996 positiv im Gedächtnis. Für Steffi sogar mehr: »Unser damaliger Trainer J.J. hat uns damals den richtigen Sinn vom Cheerleading beigebracht. Er hat mich am meisten beeinflusst, auch wie ich heute meine Teams coache.« Wer an der »Sucht Cheerleading« erst einmal erkrankt ist, kommt so schnell nicht mehr davon los. So sind die vier nicht nur in Hamburg, sondern auch deutschlandweit bekannt. Bis auf Sandy waren sie als NCA Instructor in Deutschland unterwegs bei Camps oder bei der NCA-Meisterschaft in Bottrop. Und immer stehen sie Teams mit Rat und Tat zur Seite, wenn man sie anspricht. Steffi und Sandy werden auch weiterhin bei Meisterschaften in der Jury sitzen. Doch warum wird nun, nach fast zehn Jahren, der Schlussstrich gezogen? »Zeiten ändern sich, auch ein Team ändert sich«, so das Resümee. Auch die berufliche Orientierung ist natürlich ein wichtiger Punkt. Wenn man das Cheerleading lebt wie diese vier, dann muss zwangsläufig immer irgendetwas zu kurz kommen. Neben gesundheitlichen Gründen hat Stephan augenzwinkernd noch seine ganz persönliche Begründung: »Es würde nicht mehr das gleiche wie früher sein, wenn meine ‚old Ladies' aufhören«. Aber wer die vier kennt, der weiß, dass eigentlich keiner ohne Cheerleading leben kann. Und so werden sie auch weiterhin den Angels und dem Cheerleading treu bleiben. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge verabschieden sich die »glorreichen Vier« von der Cheerleader-Bühne. Aber nicht ganz. Sandy wird sich weiterhin um die Organisation und allgemein um die Angels kümmern, Stephan wird man auch 2002 als Instructor treffen können. Außerdem möchte er sein Team, die Hamburg Pioneers, als Coach weiter aufbauen. Britta bleibt natürlich Trainerin der Canes Cheerleader in Kiel und wird auch dem Blue Angels Dance Team treu bleiben. Ebenfalls werden wir sie auch 2002 als Instructor in Deutschland sehen. Steffi wird sich weiterhin aufs Coachen konzentrieren (u.a. Blue Devils Dance Team, Junior Angels, Snow Cats) und als Instructor und Jurorin tätig bleiben. »Und einen Lebensabschnittsgefährten finden«, ergänzt sie lachend. Tja, wer Cheerleading lebt, muss halt Opfer bringen...

 

1. Weltmeisterschaft im Cheerleading

In den letzten zwei Wochen vor der ersten Weltmeisterschaft im Cheerleading machte sich langsam Anspannung und Aufregung bei den deutschen Teams, den Silver Shadows (Cheer Dance), den Hamburg Blue Angels (Cheer Mixed) und den Wolfsburg Honeybees (Senior Cheer) bemerkbar. Hatte man an alles gedacht; das Regelbuch richtig gelesen, alle Gebote und Verbote beachtet? Am 14. November ging es dann für das erste deutsche Team Richtung Japan, die anderen sollten folgen. Nach einem langen Flug landeten dann auch alle Squads wohlbehalten in Tokio, und konnten sich nun auf einige Tage mit vielen neuen Eindrücken und viel Training freuen. Jedem Team wurde ein japanischer Begleiter zur Seite gestellt, der den Teams bei den Problemen mit fremder Sprache und fremden Schriftzeichen helfen sollte. Auf diese Weise fanden sich die Teilnehmer stets gut betreut und immer zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle wieder. Natürlich gab es trotzdem das eine oder andere Missverständnis und die eine oder andere kleine Panne. Aber nach einigen Tagen hartem Training folgten endlich die beiden Meisterschaftstage. Zunächst zeigten alle Teams aus den Teilnehmerländern Finnland, Norwegen, Slowenien, Schweden, England, Taiwan, Japan und Deutschland ihre Programme in einer Probe der Jury, die sich so einen ersten Eindruck von den Leistungen der Squads verschaffen sollte. Nach diesen Proben wurde die 1. Cheerleader-Weltmeisterschaft vor ausverkauftem Haus feierlich eröffnet. Die Anspannung der letzten Tage und die Aufregung vor den Auftritten machte sich bei Silver Shadows und Blue Angels bemerkbar. Bei den Blue Angels stand die eine oder andere Pyramide nicht exakt und auch das deutsche Danceteam zeigte Nerven. Die Wolfsburg Honeybees allerdings starteten mit einer perfekten Kür und landeten so schon nach dem ersten Tag auf einem wohlverdienten zweiten Platz. Die Jury hatte allerdings noch einen kleinen Mangel entdeckt, und die Honeybees wurden gemeinsam mit dem japanischen Team, welches nach dem ersten Tag auf dem ersten Rang gelandet war, ermahnt. Diese Ermahnung sorgte im Team Deutschland für einigen Wirbel, nach Rücksprache mit der Jury konnten aber die Unklarheiten geklärt werden, und die Teilnehmer blickten gespannt auf den kommenden Tag. Der zweite Tag begann erneut mit einer Probe für alle Teams, erneut wurde der alles entscheidende Tag mit einer feierlichen Zeremonie eröffnet. Leider war die Halle an diesem Entscheidungstag nicht ganz ausverkauft, denn auch in Japan ist der Montag ein Arbeitstag. Dies tat jedoch der Stimmung unter den Teams und den Zuschauern keinen Abbruch, in den kurzen Pausen, die aufgrund der Jurybewertung eintraten, wurde »LA OLA« gestartet und auf der Bühne getanzt. Die Silver Shadows zeigten auch am zweiten Tag Nerven und konnten die Bewertung des ersten Tages nicht wiederholen. Bei den Blue Angels dagegen standen die Pyramiden nun sicher und so konnten sie ihre Platzierung vom Vortag halten. Das Team Deutschland blickte danach gespannt auf den Auftritt der Honeybees. Würden sie Ihre Leistung vom Vortag wiederholen können? Sie konnten, und die Halle tobte, Deutschland hatte mit den Honeybees die Vize-Weltmeisterschaft in der Kategorie All-Female geholt. Die Bedeutung dieses Titels wurde den meisten Teilnehmern erst während der Siegerehrung bewusst, mit der dann die Veranstaltung auch geschlossen wurde. Alles in allem hat sich die Reise nach Japan gelohnt, und die deutschen Teams sind zum großen Teil zufrieden wieder nach Hause zurückgekehrt. Die erste Weltmeisterschaft kann als eine gelungene Veranstaltung betrachtet werden. An dieser Stelle auch ein herzliches Dankeschön an die JCA (Japanese Cheerleader Association) und an die ICF (International Cheerleader Federation), die die Weltmeisterschaft organisiert haben und diese so zu einem unvergesslichen Ereignis für alle Teams machten.

 

inhalt

Meisterschaften

Von Bayern bis Bremen

Ergebnisse und Platzierungen

 

Rundblick

Phoenix Extreme, Blue Flash

Website-Contest

 

Umfrage

 

Der »typische« Cheerleader gesucht

 

Deutschland

Abschied von vier »Urgesteinen«

 

Technik

Twistup to Elevator

 

Multimedia

www.silvershadows.de

 

Cheer-WM

Honeybees holen Silber

 

On Tour

Japan liegt nicht um die Ecke

 

Die ausführlichen Texte und viele Informationen mehr

finden Sie in der vorgestellten SPIRIT-Ausgabe