Jahresrückblick 2007

Rendezvous mit der Geschichte

Die NFL-Saison stand ganz im Zeichen der New England Patriots, die drauf und dran waren eines der schillerndsten Kapitel der NFL-Geschichte zu schreiben. Sie schickten sich an, als zweites Team nach den Miami Dolphins der Saison 1972, eine so genannte "Perfect Season" hinzulegen, also alle Spieler einer Saison zu gewinnen. In der Regular Season gewannen sie ihre 16 Partien, zwei mehr als die Dolphins vor 35 Jahren, weil damals nur 14 Regular-Season-Spiele gespielt wurden. Rückblickend wirkt der Marsch durch die Punktspiele wie ein Spaziergang, auch weil QB Tom Brady, der MVP dieser Saison, zusammen mit seinen Receivern, vor allem Randy Moss und Wes Welker, neue Maßstäbe setzte.

Es gab aber auch ein paar Spiele, in denen der Traum von der "Perfect Season" fast vorbei gewesen wäre. Am dichtesten vor einer Niederlage standen die Patriots im Monday Night Game des 13. Spieltages bei den Baltimore Ravens, die insgesamt eine der größten Enttäuschungen dieser Saison waren, aber an diesem Tag ihr bestes Spiel machten. Eine Minute vor Spielende, die Ravens führten mit 24:20, standen die Patriots an der 13-Yard-Linie der Ravens und benötigten im vierten Versuch fünf Yards zum First Down. Ein Pass von Brady war erfolglos. Aber: Sekundenbruchteile vor Beginn des Spielzuges hatte einer der Coaches der Ravens eine Auszeit gefordert. Der Spielzug wurde wiederholt. Dabei fingen sich die Ravens eine Defensive-Holding-Strafe ein. Es gab einen neuen First Down für die Patriots und bei diesem warf Brady einen 8-Yard-Touchdown-Pass auf WR Jabar Gaffney. Die Patriots gewannen mit 27:24.

Der Siegeszug hielt auch in den Playoffs an. In den Divisional Playoffs besiegte man die Jacksonville Jaguars mit 31:20. Leicht wurde es den Patriots dabei aber nicht gemacht. Zur Halbzeit lagen beide gleichauf (14:14), und der zweite Touchdown der Patriots zur 14:7-Führung war im Anschluss an einen Fumble von Jacksonvilles QB David Garrard an der eigenen 29-Yard-Linie gefallen. Der Durchbruch gelang den Patriots unmittelbar zu Beginn der zweiten Halbzeit, als sie mit dem ersten Ballbesitz das 21:14 vorlegten, die Jaguars im Anschluss daran nur ein Field Goal zum 17:21 schafften und sie dieses mit dem Touchdown zum 28:17 beantworteten. Eine Woche später gelang mit einem 21:12-Erfolg gegen die San Diego Chargers, die in der Runde zuvor den Super Bowl Champion von 2006, die Indianapolis Colts, ausgeschaltet hatten, der Einzug in den Super Bowl. Auch diese Partie war alles andere als ein Selbstläufer. Die Chargers hatten ihre Chancen, schafften aber immer wieder nur Field Goals statt Touchdowns. Und auch sie schenkten dem klaren Favoriten Punkte. Gegen Ende der ersten Halbzeit unterlief ihnen eine Interception, die den Patriots nach einem 10-Yard-Return einen First Down an der 24-Yard-Linie der Chargers bescherte. Zwei Spielzüge später erzielten die Patriots den Touchdown zum 14:6. Die Chargers kämpften sich zwar noch mit zwei Field Goals auf 12:14 heran, mit dem Touchdown zum 21:12 zwölf Minuten und 15 Sekunden vor Spielende war dann aber die Vorentscheidung gefallen. Nach einem erfolglosen Ballbesitz der Chargers blieben die Patriots die restlichen neun Minuten und 13 Sekunden in Ballbesitz.

Im Super Bowl trafen die Patriots dann auf die New York Giants, gegen die sie am letzten Spieltag der Regular Season erst nach hartem Kampf mit 38:35 gewonnen hatten. Die Giants waren trotz ihrer Playoff-Siege bei den Tampa Bay Buccaneers (24:14), Dallas Cowboys (21:17) und Green Bay Packers (23:20 nach Verlängerung) der Außenseiter, machten dem vermeintlichen Überteam aus Boston einen Strich durch die Rechnung. Ihre Abwehr legte den sonst kaum zu stoppenden Angriff der Patriots an die Kette (nur 274 Yards Raumgewinn). So geriet man nie in einen höheren Rückstand. Ihr Meisterstück machten sie dann am Ende der Partie. Auf den Touchdown der Patriots zum 14:10 knapp drei Minuten vor Spielende antworteten sie mit einer langen Angriffsserie (13 Spielzüge, 83 Yards), die sie 35 Sekunden vor Schluss mit einem 13-Yard-Pass von QB Eli Manning auf WR Plaxico Burress zum 17:14 abschlossen. Statt des vierten Titelgewinns von New England gab es den dritten Super-Bowl-Erfolg für die Giants.

Geschichte wurde auch im College Football geschrieben. In der verrücktesten Saison aller Zeiten, in der jede Woche Teams aus den ersten Zehn der Top 25 gegen nicht platzierte Teams verloren und dreimal (unter anderem am letzten Spieltag der Regular Season) der Erste und der Zweite der Rangliste am selben Spieltag geschlagen wurden, wurde zum ersten Mal ein Team National Champion, das in der Regular Season zweimal verloren hatte. Im National Championship Game im Superdome von New Orleans gewann der Ranglisten-Zweite LSU, der zweimal in der dritten Verlängerung verloren hatte (bei Kentucky und gegen Arkansas) gegen Spitzenreiter Ohio State (eine Niederlage, zu Hause gegen Illinois) mit 38:24 und wurde damit zum dritten Mal nach 1958 und 2003 Meister. Ohio State, das im Finale des Vorjahres mit 14:41 gegen Florida untergegangen war, hatte zunächst stark begonnen, mit einem 65-Yard-Lauf von RB Chris Wells nach eineinhalb Minuten das 7:0 und wenige Minuten später das 10:0 erzielt. LSU, das in der Regular Season mehrfach teils klare Rückstände überstanden hatte, blieb aber ruhig und nutzte die Fehler des Gegner eiskalt aus. Das 10:10 durch einen 13-Yard-Pass von QB Mytt Flynn auf TE Richard Dickson wurde durch einen Deckungsfehler der Buckeyes begünstigt, der Touchdown zum 17:10 (10-Yard-Pass von Flynn auf WR Brandon LaFell) fiel im Anschluss an einen geblockten Field-Goal-Versuch, der Touchdown zum 24:10-Halbzeitstand (1-Yard-Lauf von RB Jacob Hester) fünf Spielzüge nach einem 34-Yard-Interception-Return von CB Chevis Jackson bis an Ohio States 24-Yard-Linie. Die Vorentscheidung fiel dann beim ersten Ballbesitz der zweiten Halbzeit. Da hatte Ohio State die Tigers bereits gestoppt. Beim Punt rannte ein Spieler der Buckeyes aber den Punter um - Personal Foul, 15 Yards Strafe und First Down LSU. Wenig später fing sich ein Spieler der Buckeyes wegen Nachschlagens eine weitere 15-Yard-Strafe ein. Und im 13. und letzten Spielzug dieser Angriffsserie endete ein eigentlich erfolgloser Spielzug mit dem Touchdown zum 31:10 (4-Yard-Pass von Flynn auf WR Early Doucet), weil drei Verteidiger der Buckeyes nicht sauber tackelten. Damit war Ohio States Widerstand gebrochen.

Das einschneidende Ereignis des Jahres 2007 im europäischen Football war das Aus für die NFL Europa. Totgesagt worden war der NFL-Ableger über die Jahre ja fast ständig, aber eine Reihe von Maßnahmen in den beiden Jahren zuvor - Beschluss eines längerfristigen Wirtschaftsplanes, Umbenennung in NFL Europa, Besetzung der Spitzenposition mit einem erfahrenen einheimischen Manager (Uwe Bergheim) - hatte an dieser »Front« für Ruhe gesorgt. Deshalb überraschte der Schritt im Sommer, obwohl sich dieser durch Aussagen von Managing Director Bergheim am World-Bowl-Wochenende dann doch abgezeichnet hatte. Eine knappe Woche nach dem Saisonhöhepunkt in Frankfurt wurde die Entscheidung zur Einstellung der Liga bekanntgegeben. Begründet wurde der Schritt damit, dass sich die NFL in den kommenden Jahren ganz auf die Ausrichtung von Regular-Season-Spielen außerhalb der USA konzentrieren wolle. Voraufgegangen waren Diskussionen mit den NFL-Team-Besitzern über die zukünftige Struktur der NFL Europa und wie man deren finanzielles Defizit reduzieren könne. Bergheim hatte im Zuge dieser Gespräche laut eigener Aussage vorgeschlagen, die Liga entweder schrittweise, genauer in einem Zwei-Jahres-Rhythmus, auf zwölf Teams wachsen zu lassen und eine Saison mit 26 Wochen zu spielen, oder sie ganz zu schließen, weil sie anders nicht profitabel zu kriegen sei. Gescheitert ist die NFL Europa letztlich an mehreren Faktoren. Erstens hatte sich der Ansatz, das Produkt NFL über eine eigene, überwiegend mit dritt- bis viertklassigen US-Spielern bestückte Liga in Übersee zu verbreiten, überlebt. Zweitens war es nie gelungen, der Liga eine eigene Identität zu geben, rieb sie sich ständig in dem Spannungsfeld auf, einerseits ein Testgelände für schwächere US-Profis sein zu müssen und andererseits eine von den Interessen der NFL-Teams losgelöste eigenständige Liga sein zu wollen. Drittens konnte nie eine auch nur ansatzweise befriedigende TV-Präsenz der NFL Europa erreicht werden. Das alles führte dazu, dass die Liga viertens wirtschaftlich nie recht vorwärts kam. Sie blieb ein Millionen-Grab, und eine Verbesserung der Situation war nicht in Sicht. Zwar hatte es zuletzt auch an den schwächeren Standorten eine Aufwärtsentwicklung bei den Zuschauerzahlen gegeben, aber, das hatte auch Bergheim bei der Bekanntgabe der Schließung gesagt, mit dem Verkauf von Tickets allein ist der Betrieb einer solchen Liga nicht zu finanzieren. Auch die Hoffnung, über die NFL Europa talentierte Spieler in Übersee zu entdecken, die eines Tages ganz selbstverständlich in der NFL spielen könnten, so wie Europäer in NHL und NBA oder Japaner im Major League Baseball, erfüllte sich nicht. Letztlich war die NFL Europa ein teurer Spaß, den niemand (abgesehen natürlich von der treuen Fan-Gemeinde hierzulande) mehr brauchte.

Rückblickend war die NFL Europa auch sportlich nicht mehr interessant. Bei nur sechs Teams setzt irgendwann Langeweile ein, zumal ein Team, Frankfurt Galaxy, fast jedes Jahr im Finale stand - so auch in der Saison 2007. Als letzter Champion der NFL Europa gingen aber die Hamburg Sea Devils in die Football-Geschichte ein. Im World Bowl in Frankfurt schlugen sie Rekordmeister Galaxy (vier Titel) vor mehr als 48.000 Zuschauern mit 37:28. Im punktreichsten World Bowl aller Zeiten war Hamburgs QB Casey Bramlet der Matchwinner. Mit einer Erfolgsquote von 74 Prozent (20 von 27), 347 Yards und vier Touchdowns ohne Interception erreichte er Passer Rating von 155,5 und blieb damit nur knapp hinter dem höchstmöglichen Rating von 158,3 zurück. Mit seinem vierten Touchdown-Pass brachte Bramlet die Sea Devils nach vier Minuten im letzten Viertel mit 37:28 in Führung. Entschieden war die Partie aber erst mit einer Interception an der eigenen 33-Yard-Linie eine Minute und 34 Sekunden vor Spielende. Knapp viereinhalb Minuten zuvor hatte die Galaxy zudem noch einen Field-Goal-Versuch vergeben, der sie auf sechs Punkte hätte heranbringen können.

Viel Zeit für Katzenjammer über das Aus der NFL Europa blieb nicht, denn kurz nach dem Ende der NFL-Europa-Saison stand der dritte Football World Cup auf dem Programm. Ausgetragen wurde dieser in Kawasaki, im Lande des zweimaligen Weltmeisters Japan. Deutschland war mit von der Partie und erreichte am Ende das, was man sich realistischerweise als Ziel gesetzt hatte. Mit einem 32:2-Erfolg im ersten Gruppenspiel gegen Südkorea qualifizierte man sich für das Spiel um Platz drei, und dieses gewann man mit Hilfe eines 85-Yard-Punt-Returns von Marcel Duft im dritten Viertel mit 7:0. Mehr war für das deutsche Team nicht drin, denn im zweiten Gruppenspiel musste man gegen die erstmals bei einer WM vertretenen USA ran. Die schickten nicht etwa eine bessere Freizeitmannschaft nach Japan, sondern traten mit einer gut vorbereiteten Auswahl an Spielern, die mit der Saison 2006 ihre College-Zeit beendet hatten, an. Die deutsche Mannschaft hielt lange Zeit dagegen, war letztlich aber ohne Chance und verlor mit 7:33. Die einzigen Punkte für Deutschland erzielte Matthias Weil mit einem 94-Yard-Intereception-Return zum 7:16 eine knappe Minute vor Ende der ersten Halbzeit. Kleiner Trost für das deutsche Team: Man war am späteren Weltmeister gescheitert, denn Team USA setzte sich im Finale auch gegen Gastgeber und Titelverteidiger Japan (in den Gruppenspielen gegen Frankreich und Schweden jeweils 48:0-Sieger) durch - allerdings nur knapp, mit einem 23:20-Sieg nach Verlängerung.

In der GFL gab es im Grunde nicht viel Neues. Die Braunschweig Lions waren mal wieder das Maß aller Dinge. Sie gewannen in den Punktspielen elfmal, spielten einmal Remis und wurden mit sieben Punkten Vorsprung vor Berlin Erster der Nordgruppe. In den Playoffs setzten sie sich dann gegen Aufsteiger Weinheim Longhorns (55:26) und in einer Neuauflage des Finales von 2006 auch gegen die Marburg Mercenaries durch (26:21). Im Süden hatten die Stuttgart Scorpions knapp die Nase vorn vor Marburg. Die Scorpions qualifizierten sich mit Siegen gegen die Hamburg Blue Devils (27:17) und die Berlin Adler (19:14) zwar erstmals für den German Bowl, der dieses Mal in Stuttgart stattfand, konnten die Endspiel-Dominanz des Nordens aber ebenso wenig beenden wie die Marburg Mercenaries im Jahr zuvor. Die Braunschweig Lions, die zum elften Mal in Folge im Finale standen, holten sich mit einem 27:6 ihren dritten Titel in Folge (im Übrigen der zweite Titel-Hattrick der Lions nach dem in den Jahren 1997 bis 1999) und den sechsten insgesamt und zogen damit mit Rekordmeister Düsseldorf Panther gleich. Stuttgart konnte das Spiel nur ein Viertel lang offen halten. Zwei Touchdowns im zweiten Viertel legten dann den Grundstein zu einer 14:0-Führung bei Halbzeit, und nach dem dritten Viertel lagen die Lions gar mit 24:0 vorn. Am Ende hatten die Lions fast doppelt so viel Raumgewinn erzielt wie die Scorpions (353 Yards gegenüber 182 Yards). Zum MVP wurde QB Dennis Zimmerman gewählt, der neun seiner zehn Passversuche ins Ziel brachte und zwei Touchdown-Pässe warf (auf Olaf Fischer zum 7:0 und auf Jörg Heckenbach zum 24:0 im dritten Viertel).

Eli Manning
QB New York Giants

 

Plaxico Burress
WR New York Giants

Michael Strahan
DE New York Giants

Tom Brady
QB NE Patriots

 

Uwe Bergheim
Director NFLE

 

Casey Bramlet
Hamburg Sea Devils

 

World Cup MVP
Lyle Kasperbauer

 

Marcel Duft
Team Germany

 

German Bowl MVP
Dennis Zimmermann